Eine aufregende Reise von Galle (Sri Lanka) über das Addu-Atoll (Malediven), Salomon Islands (Chagos-Archipel) nach Victoria (Saychellen)
Es ist schwierig den genauen Zeitpunkt zu wählen, an dem eine Geschichte ihren Anfang nimmt. Zumal bestimmte unbekannte Ereignisse parallel zum eigenen Leben geschehen. Wenn sich dann die Wege kreuzen, werden diese Ereignisse bestimmend für Gegenwärtiges und zukünftiges. Zufall oder Schicksal, wer weiß das schon.
Wie ich Franz in seiner Not helfen konnte
Es war 2001 und auf der CALYPSO hatten zwei abenteuerlustige Damen je eine Koje für die Reise von Galle, Sri Lanka zu den Seychellen gebucht. So richtige Vorstellungen wie es auf einem kleinen Segelboot zugeht, hatten sie nicht. Sie waren schlecht vorbereitet und von der Segelei null Ahnung. Franz, der Skipper kam erst in Nöte, als er feststellte, dass sein Spezi und Segelka-merad nicht am Törn teilnehmen konnte. Schlimm, denn alleine konnte er die Reise unter diesen Bedingungen nicht stemmen. Die Umfragen bei Freunden und Weggefährten ergab, dass kein anderer Zeit hatte, alles zu kurzfristig war oder sie keinen Bock auf solch einen Törn hätten.
Ich war mit Renovierungsarbeiten in der Wohnung befasst und freute mich auf einen schönen Frühling, welcher sich mit den ersten Schneeglöckchen ahnungsvoll ankündigte. Von den Ereignissen in Sri Lanka hatte ich keinerlei Kenntnis. Einen Plan bzw. ein Angebot hatte ich auch noch nicht, war ich doch erst von einer Atlantiküberquerung nach Salvador (Brasilien) mit der SUN-STAR zurückgekehrt. Dann brach Jork, der Eigner, in mein geruhsames Leben ein und fragte mich so ganz nebenbei, ob ich denn nicht Lust hätte, den Indischen Ozean kennen zulernen. Na klar, warum nicht. Das Revier kannte ich nicht und die Seychellen sind ein Traumziel. Er erzählte mir von den Malediven, dem Chago Archipel und den um diese Jahreszeit in diesen Breiten idealem Segelwetter. Mir lief das Wasser im Mund zusammen. Als er mir dann die eigentlichen Gegebenheiten erläuterte, hatte er mich schon am Haken. Ich sollte nur ein paar Ersatzteile mitnehmen und ich müsste in vier Tagen in Galle sein. Peng! Mir klappte die Kinnlade herunter und muss ihn ziemlich entgeistert angesehen haben, denn er erläuterte mir etwas verlegen, wie verfahren die Kiste sei. Also sagte ich zu.
Die parallelen Ereignisse liefen an diesem Zeitpunkt zusammen und bestimmten für die kommenden drei Monate mein Leben. Mit geordneter Hektik schaffte ich es in der knappen Zeit meine Klamotten zu packen, die Ersatzteile zu stauen (immerhin die Hälfte vom Gepäck) und das Flugticket zu erstehen. Das war nicht so einfach wie heutzutage im Internet. Aber immerhin konnte ich bei Cheap Ticket einen Gabelflug zum moderaten Preis erhalten. Meine liebe Frau gab mir mit entsprechenden Auflagen frei und wünschte sich nur auf den Seychellen einen schönen Urlaub mit ruhigem Segelwetter. Das konnte ich schon ohne Mühe (bis auf das Wetter) bewerkstelligen.
Die nervende Reise nach Galle
Auf geht’s! Das Ziel war mit Colombo auf Sri Lanka (das ehemalige Ceylon) ausgemacht, wo ich nach einem stinklangweiligen Flug an einem Donnerstag am frühen Nachmittag ankam. Erst einmal bekam ich eins voll vor die Birne, als ich aus dem herun-tergekühlten Flugzeug mit der heißen feuchten Luft Colombos Bekanntschaft machte. Es herrschte der auf einem Flugplatz (der Bandaranaike International Airport) übliche Trubel. Von der Immigration bekam ich ohne Probleme und nervende Fragen den nötigen Stempel. Der Trubel ging erst am Gepäckband los. Die Passagiere mehrerer Maschinen wurden an einem Karussell mit Unmengen Gepäck bedient. Nachdem ich meinen Stofftrolley glücklicherweise aus dem Gebirge von Koffern und riesigen Ballen herausgefischt hatte, erwartete mich am Zoll das reinste Chaos. Es drängelten sich Massen von Menschen wild gestikulierend und schreiend mit ihren Unmengen Gepäck vor der Abfertigung.
Ich war sprachlos ob der chaotischen Zustände. Aber da sah ich doch, wie einige Passagiere durch eine große Türe einfach nach draußen verschwanden. Zoll hin – Zoll her. Na ja, was die können, kann ich auch. Also hinterher und so befand ich mich plötzlich auf dem Vorplatz wieder.
Es war der grüne „Nichts-zu-verzollen-Ausgang“. Etwas Grünes habe ich gesehen, aber nicht kapiert warum. Nun hatte ich die Absicht mit dem Bus nach Galle weiterzureisen und marschierte zum Busterminal. Meine Absicht gab ich aber schnell wieder auf, denn die dort versammelte Menschenmenge übertraf diejenige vor der Zollabfertigung bei weiten. Abfahrende Shuttlebusse zum zentralen Busterminal waren knüppeldicke voll. Einige hatten es sich auch auf dem Dach zwischen Gepäckstücken bequem gemacht. Den Gedanken mit dem Zug zu fahren hatte ich schon aufgegeben, denn der Hauptbahnhof von Colombo, die Fort Railway Station liegt in der Nähe des Stadtzentrums. Wie komme ich dahin? Mit welchem Bus? Außerdem, welches Busterminal ist das richtige? Wie soll man sich da auf Anhieb zurechtfinden! Natürlich sind Busse billiger und fahren häufiger als Züge. Aber unter den Bedingungen? Also kehrt Marsch und los zum Taxistand.
Lieber bezahlte ich etwas mehr, als hilflos auf unbekanntem Terrain unterzugehen. Am Taxistand gab es verschiedene Anbieter, von denen manche eine etwas abenteuerliche Preisgestaltung hatte. Manche hatten auch eine Preisliste ausliegen. Man schaute mich fragend an und als ich sagte, dass ich nach Galle wolle und in Dollar zahle, hatte ich ihr ungeteiltes Interesse. Dann ging das Feilschen los.
Einer stand etwas Abseits, grinste mich an und bot für die etwa 150 km glatte 35 $. Na, der hat sich von den Anderen aber was anhören können. Es wurden sogar Fäuste geschüttelt. Mir war das wurscht, es war spuckebillig und ich zeigte dem Typ meinen Zettel mit der Anschrift vom Galle Harbour. Es war ein oller Ford 3er Escort. Klimaanlage: offene Fenster. Taxameter: Null – der Preis war vorher ausgehandelt. Heute ist das alles etwas teurer. Aber der Taxidriver war ein privater Einzelkämpfer, mit Lizenz wie er mir versicherte. Deswegen auch der Unwille der Anderen. Er zahlte ja auch keine Provision an seinen Brötchengeber. Jedenfalls verstand er sein Handwerk und wir hatten eine schöne Fahrt auf der Küstenstraße Richtung Süden.
Aber vorher mussten wir durch Colombo. So etwas habe ich noch nicht erlebt. Die Hölle im irrwitzigen Straßenverkehr (Linksverkehr). Jeder fuhr so, wie er es für richtig hielt. Nach dem Motto: Der größere hat Vorfahrt und den Rest regelt Buddha. Das Schlimmste war der Kreisverkehr. Sicherlich gab es Fahrbahnmarkierungen, aber die konnte man wegen des dichten Verkehrs nicht sehen. Busse, LKW, PKW und Massen von Tuk-Tuks (Three-Wheeler) drängelten sich Stoßstange an Stoßstange hupend und blinkend von Ausfahrt zu Ausfahrt. Die Blinker von den Tuk-Tuks hat man nicht gesehen. Die Fahrer machten sich mit Handzeichen bemerkbar. Ich wagte meinen todesmutigen Fahrer nicht anzusprechen. Er fuhr hoch konzentriert und sehr rücksichtsvoll in dieser Menge. Die Sonne knallte herunter, die Luft heiß, feucht und stickig von Abgasen. Was für ein Krach und Gestank! Es hat nicht geknallt, keine Beule, kein Unfall. Bewundernswert. In Berlin zur Rushhour ist der Straßenverkehr dagegen wie eine ruhige Landpartie. In Sri Lanka ist das der ganz normale Wahnsinn und außer Touristen scheint das auch niemanden zu beeindrucken. Es ist schon wichtig, sich vor Antritt einer Reise zu orientieren. Das ist ratsam, um zunächst ein Gefühl für das Land, die Menschen und die Gewohnheiten hier zu bekommen. Andere Sitten, andere Religionen und Lebensgewohnheiten. Ich hatte schon in anderen Ländern viele Erfahrungen gesammelt. Aber es ist immer wieder neu und überraschend.
Und so atmete ich tief ein, als wir Colombo verließen und sprach dem Driver meinen tief empfundenen Dank aus. „This is completely normal” grinste er. Die Fahrt führte uns durch eine malerische Küstenlandschaft mit Palmen, kleinen Ortschaften und den überall herumstehenden Kühen.
Unterwegs machten wir bei einem Straßenhändler Rast. Ich gab fünf Dollar heraus, Rupien hatte ich noch nicht. Der Driver hat sich so was von gefreut und kam mit Trinkkokosnüssen, aufgeschnittenen Mangos sowie mit roten Linsen gefüllten Rotis zurück. Auf sein Wechselgeld in Rupien habe ich verzichtet. Dann erzählte er mir noch von seiner Familie und seinen Kindern, welche dabei waren sich zu richtigen Pubertieren zu entwickeln. Mit Oma und Opa leben sie in drei Räumen, Kochecke und Klo auf dem Hof. Das Geld, was er verdient, reicht gerade so aus. Aber er ist es zufrieden. Ein schönes Leben ist anders, jedenfalls in meiner Vorstellung. Getreulich lieferte er mich nach zwei Stunden am Hafen ab.
So etwa hat das auf dem Busbahnhof in Colombo ausgesehen. Dieses Wirrwarr war für mich nicht zu bewältigen. Foto: Steffen @WieGross · Community
Normaler Straßenverkehr in Sri Lanka: Busse, LKW, Tuk-Tuk, Mopeds, Kühe und auch Menschen
Straßenhändler an der Strasse nach Galle
Am Schlagbaum. Keinen Meter weiter. Militärisches Sperrgebiet, Sandsäcke, bewaffnete Soldaten und misstrauische Blicke. Ich verabschiedete mich vom Taxi und seinem Fahrer und zahlte ihn aus. Er bedankte sich überschwänglich bei mir, so, dass es mir fast peinlich war. Sehr schnell war er weg. Mir schien, er nimmt Reißaus. Erst später habe ich kapiert warum.
Meine ersten Erfahrungen mit Sri Lanka
Franz hatte mich informiert, dass ich zuerst den Agenten kontaktieren soll. Ich lächelte den vor mir stehenden Posten an (war das ein kleiner Kerl mit seiner großen MP) und fragte eben nach diesem Agenten. Er wies mir den Weg und ich durfte passieren. Der Agent regelt alles. Immigration, Zoll, Verpflegung, Wäscherei, Vermittlung von Reisen, eben alles. Ohne ihn geht nichts, da keine Behörde o. ä. ohne dessen Vermittlung nichts macht. Also erfuhr ich in der Agentur, dass Franz nicht da ist, aber einen Zettel am Schwarzen Brett hinterlassen hat. Da hieß es, dass er irgendwo, bei welchen Elefanten auch immer, weilt, am nächsten Tag vielleicht zurück ist, die eine von den Mitseglerinnen in dem und dem Hotel zu finden sei und ich doch besser im Hotel nebenan Quartier beziehen soll. Da stand ich nun, wurde lächelnd von den Mitarbeitern des Agenten beäugt und hatte mich umsonst auf meine Koje gefreut.
Weisungsgemäß machte ich mich zu besagtem Hotel direkt neben dem Hafen auf und erlebte dort meine nächste Überraschung. Es war das Closenberg Hotel Galle. Ein schöner Bau im Kolonialstil des 19. Jahrhunderts. Es war früher Sitz des Agenten der P & O Company und der des Hafenkapitäns. Ein sehenswerter Bau mit wechselnder Geschichte. Ich checkte ein und fühlte mich im Luxus vergangener Zeiten pudelwohl. Beim Dinner stellte ich fest, dass ich mich unwiderruflich im Curryland befand.
Am anderen Morgen holte Franz mich ab. Wir frühstückten ausgiebig, suchten den Agenten zwecks Formalitäten und Absprachen auf und sammelten die beiden Mitseglerinnen ein. Die nächsten Tage vergingen mit der Vorbereitung unseres Törns, der uns nach immerhin über 2000 sm zur Hauptstadt Victoria auf der Insel Mahe, Seychellen bringen sollte.
Es gab vieles zu organisieren und zu bedenken. Wasser und Treibstoff mussten gebunkert, Lebensmittel eingekauft sowie die Ausrüstung gecheckt werden. Die SAMBA lag etwas abseits an einem Schwimmsteg, welcher dort anlässlich einer Regatta installiert wurde. Die Regatta war wohl die Whitbread round the world race vom Vorjahr.
Die Wege zu den Märkten waren weit, was aber mit den immer verfügbaren Tuk Tuk kein Problem war. Lustig wurde es jedes Mal, wenn es um den Fahrpreis ging. Feste Preise gab es nicht und so verlangten sie manchmal so viel, dass man meinte, sie wollten das ganze Dreirad verkaufen. Langsam hatten wir die Kurve raus und mussten denen nicht immer erklären, dass sie bitteschön nicht die Rupie mit dem Dollar verwechseln sollten.
Törnvorbereitung mit Überraschungen
Die erste Nacht brachte eine weitere Überraschung mit sich. Wir hatten nach einem guten Abendessen uns noch lange unterhalten. Schließlich mussten wir uns bekannt machen, um zu wissen, wie wir als Crew funktionieren sollten. Es stellte sich heraus, dass die Damen schon mal auf einem Gardinendampfer gefahren waren, aber ansonsten keine Ahnung von der Segelei hatte. Auch äußerten sie ihre Bedenken hinsichtlich der Größe des Schiffes, seiner Seefestigkeit und überhaupt. Sie hatten noch nicht einmal Regenkleidung mit. Wir konnten sie erst einmal beruhigen und ihnen versichern, dass sie mit höchster Wahrscheinlichkeit irgendwie in Victoria abgeliefert würden. Au Backe! Dann begaben wir uns zur Ruhe. Ich war gerade am Wegdämmern als mich heftige Explosionen hochfahren ließen. Als Erstes knallte ich mit meiner Rübe an das über mir befestigte Bord. Das machte mich endgültig munter.
War da irgendein Krieg ausgebrochen? Dann stürzte ich panisch an Deck. Was ist los! Schließlich waren wir in einem Hafen der Marine Sri Lankas, wo Krieger im Hafen fleißig werkelten. An Deck angekommen, sah ich Franz gemütlich grinsend dasitzen und an einer Büchse Bier nuckeln. Die Frauen steckten ängstlich ihre Köpfe aus den Luken. Was ist los! Der Franz, der Schuft, wusste es und hat sich auf unsere Kosten prima amüsiert. Warum soll es euch besser gehen als mir, war sein Argument. Er drückte uns ebenfalls ein Bier in die Hand und erzählte. Der Krach ging ohnehin weiter. Es war wirklich Krieg im Lande.
Die Tamilen oder besser die Tamil-Tigers und ihr bewaffneter Kampf gegen die Zentralregierung um einen separaten tamilischen Staat sind die Ursachen einer ganzen Reihe von Sicherheitsmaßnahmen gerade hier im Hafenbereich. Nicht nur, dass nach Sonnenuntergang eine Kette vor die Hafeneinfahrt gezogen und das ganze Areal schwer bewacht wurde, sondern auch, dass des Nachts das Hafenbecken gegen eventuelle Kampfschwimmer der Tamil-Tigers gesichert wird. Eben damit, dass man von einem Boot in unregelmäßigen Abständen Sprengladungen ins Wasser schmiss, welch selbige sehr ungesund für alle unter Wasser befindlichen Lebewesen sein sollen. Jedenfalls war das Hafengewässer eine fischfreie Zone. Da mussten wir durch. Ein Grund mehr so schnell als möglich in die Ruhe des Indischen Ozeans zu entfliehen. Was sich aber auch als Trugschluss herausstellte. Davon später.
So in die militärisch angehauchte Lebensweise der schönen Stadt Galle eingeführt, nahmen wir uns denn doch die Zeit für einige schöne Ausflüge in die Umgebung. So besuchten wir den Ananda Gewürzgarten am Koggala-See. Wir tuktukten zu viert recht eng aber gemütlich nach Koggala. Dort wurden wir freundlich empfangen und von H.W. Ananda in seinem Kräutergarten herumgeführt. Er sprach ein recht gutes Deutsch, was auch darauf zurückzuführen war, dass er auf der Weltausstellung in Hannover einer der Vertreter Sri Lankas war und eine enge deutsche Bindung hat. Ich sah zum ersten Mal wie und wo der Pfeffer wächst, die Pflanze der Süßkartoffel, die Blüte einer Muskatnuss und vieles mehr. Im Shop servierte man uns einen bekömmliche Kardamomtee und ich bereicherte Ananda indem ich durch den Kauf diverser Öle und Tinkturen meine Mitbringsel für zu Hause absicherte. Dann spielte ich noch den Geldverleiher, denn Ingrid war klamm bei Kasse. Sie hatte sich auf die Reise „gründlich“ vorbereitet und sich mit einer Kreditkarte von Barclays ausgestattet. Mit der konnte sie zwar Geld abheben, aber in dieser Gegend des Indischen Ozeans nur in Colombo und in Victoria auf den Seychellen. Deshalb war sie blank wie ein Hartz-IV-Empfänger. Also übernahm ich ihre Bordkasse und das Kleingeld für „dit und dat“. Somit wurde sie für mich zu einem sehr wertvollen Crewmitglied auf das ich wie ein Heftelmacher bis zum Ende der Reise, bzw. bis zur Barclaybank in Victoria (Saychellen) höllisch aufpasste. Das war auch notwendig, denn die lebenslustige Dame war auf dem Chagos Archipel beinahe den Ambitionen eines durchgeknallten französischem Alleinseglers erlegen.
Das Einkaufen auf den Märkten in Galle machte, wie auf den anderen Märkten dieser Welt immer großen Spaß. Ein beeindruckendes Angebot an Früchten (bei uns Südfrüchte genannt) und Gemüse. Wir schauten, prüften, sortierten, kauften, schleppten und stauten einen Vorrat für etwa 40 Tage. Das Gleiche galt für Teigwaren, Hülsenfrüchte, Mehl und alles andere, was man für eine so lange Reise brauchte. Schwieriger war es bei Fleisch- und Wurstwaren. Ich hatte zwar zwei schöne Salami als Mitbringsel im Gepäck. Das reichte allerdings nicht. Als Erstes waren Fleisch- und Wurstkonserven angesagt. Die gab es auch. Aber frisches Fleisch zu bekommen, ich wollte vorbraten und konservieren, war schier unmöglich. Auf meine diesbezügliche Frage beim Agenten bot er mir an mit mir zum Fleischmarkt zu fahren. Gesagt getan. Aber was ich da zu sehen bekam, überstieg all mein Vorstellungsvermögen von Sauberkeit und Hygiene. Der Agent meinte, es wird alles gekocht oder gebraten und alles ist gut. Nun, unsere Meinungen gingen da etwas auseinander.
In den Verkaufsständen, deren Wände schwärzlich verfärbt waren, das man denken könnte es habe ein Feuer gewütet, was sich aber als Schimmel herausstellte, hingen diverse Rinderhälften unterschiedlichster Größe. Schwein sowieso nicht. Manche waren schwärzlich verfärbt, was beim näheren Betrachten das Summen in der Luft erklärte. Fette Fliegen ohne Ende. Wortlos drehte ich mich auf dem Absatz herum und bedeutete unserem grinsenden Agenten das Tuk-Tuk zu starten. Er verstand mein Anliegen und versorgte uns, Buddha weiß woher, mit tiefgekühlten Packen von Hähnchen- und Rindfleisch. Er war ja auch Lieferant der örtlichen Militärmacht. Etwas teurer, aber immerhin. Kurz vor dem Ablegen brachte er uns noch eine Bananenstaude. Grüne Minibananen, welche ich unter dem Sprayhood staute.
Wo auch immer wir auftauchten, wuselte eine Schar Kinder um uns herum. Neugierig und staunend betrachteten sie uns, fassten uns auch manchmal vorsichtig an, als ob sie sich vergewissern wollte, dass die Langnasen auch wirklich echt sind. Passten wir doch so gar nicht in Weltbild. Also machte ich wieder das, was man lassen sollte. Ich füllte meine Hosentaschen mit Bonbons und hatte die immer größer werdende Schar am Hals. Ich kann eben nicht anders.
Endlich war alles bereit zum Ablegen. Franz meldete uns beim Hafenmeister ab und wir räumten noch auf und ich schrieb die Stauliste. Da entstand auf der Pier plötzlich Bewegung. Eine barsche Stimme fordert Zutritt. Die sechs Uniformierten stellten sich vor, sie seien von der Coast Guard (?) und müssten eine Kontrolle vornehmen. Na Hallo. Sie kamen an Bord, schauten sich um und wollte wissen, ob wir Alkohol an Bord hätten. Hatten wir, aber das musste ich denen doch nicht auf die Nase binden! Denn der Rum sollte doch lange reichen. Ja, wir haben, aber der Skipper hat alles unter Verschluss und der kommt erst in zwei Stunden zurück. Diese Schlitzaugen hatten einfach Durst, aber nicht auf unsere Kosten. Es waren Matrosen, welche sich vor dem Ausgang noch einen hinter die Binde gießen wollten. Ich reichte eine große Cola rum und sie versprachen noch einmal vorbeizukommen. Das war ihr Irrtum, denn wir machten die Leinen los und verließen Galle, welche sich uns so anders als für Touris gezeigt hat.
Auf dem Indischen Ozean
So fing unser Törn recht gut vorbereitet an. Geplant war auf dem Weg zu den Seychellen, die etwa 850 sm entfernten Salomon Islands anzulaufen. Ein Vorhaben, welches bei den um diese Jahreszeit vorherrschenden nördlichen Winden, ein schönes Segeln über die Weiten des Indischen Ozeans versprach.
Aber es sollte wieder anders kommen und wir fanden uns ungeplant auf dem Addu Atoll der Malediven wieder.
Der erste Tag verlief wie erwartet. Eine Brise von vier Windstärken aus Nord ließ uns über ein leicht bewegtes azurblaues Wasser gleiten. Über uns strahlte eine leuchtende Sonne, am Horizont blähten sich die Passatwolken und fliegende Fische zeigten an, dass unter uns Räuber am Werk waren. Der Rhythmus an Bord war schnell gefunden und die Frauen fanden sich erfreulicherweise schnell in ihre zugewiesene Rolle. Zufriedener mit dem Start konnte man nicht sein, zudem noch ein Barrakuda an die Schleppangel ging und uns eine schöne Abendmahlzeit bescherte. Auch die Nacht verlief unter einem glitzernden Sternhimmel in schönem Einvernehmen mit der Natur. Ein schöner Sonnenaufgang versprach die Fortsetzung eines Bilderbuchtörns.
Dann holte mich Franz mit Sorgenfalten im Gesicht unter Deck und zeigte auf das Barometer.
Es war in kurzer Zeit um mehrere Striche gefallen. Das sollte sich in den nächsten Stunden noch fortsetzen. Der Wind hatte etwas eingeflaut und es war schwül geworden. Die Luft wurde dick und diesig, dass die Sonne kaum noch einen Schatten werfen konnte. Der Horizont war verwaschen, aber frei von Wolken.
Dann kam die erste Aufklärungsstunde über schlechtes Wetter und was uns mit Sicherheit erwartet. Die Frauen schauten etwas irritiert, als ihnen eröffnet wurde, dass ein schweres Unwetter im Anmarsch und was da zu tun und zu lassen ist. Ihr Protest fiel erwartungsgemäß etwas schwach aus, denn sie akzeptierten Franzens Sachkenntnis. Ihr: „warum, wieso, weshalb, keine Wolken, kein Donner und Blitz, das wollten wir so nicht“ verhallte, als sich von West bedrohlich eine unglaublich hohe Wand an Wolken auftürmte. Also, Mädels zieht euch Regensachen an, legt die Lifebelts zurecht und staut alles so, dass es uns nicht um die Ohren fliegt. Regensachen hatten sie bis auf den obligatorischen Regenschirm nicht. Also ohne, denn so ein Ding ist auf dem Schiff nutzlos wie in Grönland eine Badehose. Auch nicht schlimm, denn warmes Wasser ist genug da. Allerdings kühlt man, auch wenn das Wasser von unten oder oben noch so warm ist, nach einiger Zeit doch aus und bekommt das große frieren. Das Großsegel holten wir runter und machten es mit mehr Zeisern als sonst fest. Die Genua holten wir bis auf einen kleinen Teil ein, machten die Luken dicht und alles fest, was sich irgendwie selbständig machen könnte. Während Franz und ich das Schiff sicherten, bereiteten Verena und Ingrid vorsorglich Lunchpakete und einen großen Topf Linseneintopf vor. Der lässt sich in der Topfhalterung auf dem Gasherd sicher vor dem zu erwartenden Geschaukel stauen. Das Erhitzen ist nicht das Problem. Allerdings das Essen. Aber das muss man ja auch. Irgendwie.
So vorbereitet erwarteten wir das sich glücklicherweise rechtzeitig angekündigte Unwetter. Und wir bekamen so richtig eins auf die Mütze. Das höllische Spektakel begann, als sich riesige Kumulus Nimbus aufbauten, in denen gewaltige Blitze aus vielen Kilometern Höhe wie Gottes Leuchtreklame das Innere beleuchteten und mit mächtigem Donnern ihre gewaltigen Energien entluden. Was für ein höllisches Spektakel. Ehrlich, ich hatte richtigen Bammel und Franz war sehr ernst. Zur Beruhigung von uns strahlte er Ruhe und Sicherheit aus. Das gab uns die Gewissheit, dass Inferno ohne Schaden zu überstehen.
Es war später Nachmittag geworden, als der Regensturm mit unheimlicher Gewalt über uns herfiel. Er peitschte die Wellen hoch. Die Regenmassen prasselten auf uns und raubten jede Sicht. Halb blind fuhren wir nur nach Instrumenten. Es war so dunkel geworden, dass wir die Positionslichter anmachten und hofften, dass das auch andere tun. Den Übergang in die Nacht bekamen wir nicht so richtig mit. Nur die Uhrzeit sagte uns, dass wir uns um eine sinnvolle Wacheinteilung kümmern müssten. Die Frauen hatte Franz in die Kojen geschickt und das Schapp zum Niedergang geschlossen. Wir beschlossen einen Wachrhythmus von vier Stunden und haben dann doch die Frauen mit einbezogen, denn ein paar Augen mehr sind in dieser Finsternis doch sehr hilfreich.
Ich machte mich ziemlich erschöpft erst einmal lang und wurde kurz vor Mitternacht an Deck geholt. Dort heulte der Sturm schrill in den Wanten. Er hatte noch zugelegt und erzeugte kurze steile Wellen, welche das Schiff umtanzten, als wollten sie ihrer Freude über die erhoffte Beute Ausdruck verleihen. Ich warf das Lifebelt über und wurde von Franz wortlos an die Winsch der Genua delegiert. Mit den Händen machte er eine Kurbelbewegung und zeigte er nach vorn. Im Funzellicht der Positionslampen sah ich, dass das Stück Genua, welches uns auf Kurs hielt, nur noch als Fetzen im Sturm flatterte. Gemeinsam holten wir den Rest dicht. Sprechen konnte man, nur wurde man nicht verstanden. Also hieß es Brüllen oder sich mit Gesten verständigen.
Riesige Wolkengebilde der Kategorie Cumulonimbus calvus türmten sich auf
Die Genua in Fetzen kündet von der Gewalt Orkans
Grüne Minibananen unter dem Sprayhood wurden schnell reif.
Verena hockte mit schreckgeweiteten Augen irgendwie grünlich angehaucht in einer Ecke vom Cockpit, wie eine nasse Katze und stöhnte. Was sie sonst noch von sich gegeben hat, wurde wohl von dem vielen Wasser, welches von oben und unten über und an Bord kam, weggewaschen. Später gestand sie mir, dass sie sich geschworen hat, sollte sie überleben, nie wieder auf ein Schiff unter 100000 t steigen würde. Ich entgegnete ihr, dass ihr Entschluss gar nicht so blöd war mit der „Samba“ und ihren knapp 14 m Länge zu fahren, denn der Erlebnisbereich auf einem großen Gardinendampfer ist bei weiten nicht so spannend und aufregend wie eben bei einem Fast-Zyklon im Indischen Ozean. Außerdem könne sie spannendere Geschichten erzählen, als eine Oma mit Rollator. Darauf hat sie den Gedankenaustausch mit mir für eine Weile eingestellt. Sie verschwand in der Koje und kam erst wieder ans Tageslicht als das Wetter sich anständig, wie bei unserem Start in Galle verhielt. Irgendwie tat sie mir dann doch leid. Es ist schon eine Enttäuschung, wenn von dem, was man sich erträumt nur noch nasse Klamotten und ein übles Gefühl der Ohnmacht übrig bleiben. Glücklicherweise stellte sich in den folgenden Wochen heraus, dass ihr Traum doch nicht umsonst geträumt war.
Ingrid dagegen kramte von irgendwoher so ein transparentes Regencape aus und sah in diesem Gebilde und der sparsamen Beleuchtung aus wie der leibhaftig vor sich hin knatternde Klabautermann oder besser Klabauterfrau. Sie kochte uns sogar Kaffee und versorgte uns tapfer mit dem vorbereiteten Essen. So verbrachten wir den Rest der Nacht und Franz beschloss, nicht nur wegen der auszuwechselnden Genua, sondern auch zur allgemeinen Erholung das südlichste Atoll der Malediven anzulaufen. Es war kein Umweg zum Addu-Atoll, da es nur etwa 100 sm querab vom eigentlichen Kurs lag. Mit dieser freudigen Aussicht schauten wir dem abziehenden Unwetter ohne großes Bedauern hinterher. Außer dem Verlust der Genua hatten wir keine weiteren Schäden zu verzeichnen. Es kam, wie es kommen musste, die Sonne strahlte unschuldig von einem blau strahlenden Himmel, der Wind flaute ein und am Horizont zogen in unschuldigem Weiß Passatwolken friedlich ihre Bahn. Kein Lufthauch kräuselte das Wasser. Es wurde ruhig. Zu ruhig. Viel zu ruhig. Das Einzige, was sich kräuselte, war Franz Stirn. Die Maschine lief gleichmäßig und ebenso gleichmäßig wurde der Diesel weniger. Das war so nicht geplant, denn auf den Atollen der Chagos-Archipel war nicht damit zu rechnen auch nur ein Literchen Diesel zu bekommen. Allerdings konnten wir nicht wissen, dass dort auch andere Möglichkeiten auf uns warteten. Es gab also nur die Möglichkeit irgendwo auf dem Addu-Atoll welchen aufzutreiben.
Also schipperten wir geruhsam bei Flaute und einem ausgiebigen Badestopp in Richtung Feydhoo ein Inselchen im südlichen Teil. Wir ankerten in der Gan-Lagoon in der sich heute die Verlängerung des Flugplatzes breit macht. Von den Nachbarliegern wurden wir freundlich empfangen. Diese hatten dort vor dem Unwetter Schutz gesucht und bedauerten natürlich den Verlust unserer Genua. Deren Sachkenntnis über Land und Leute war uns sehr hilfreich, insbesondere bei der Beschaffung von Diesel. Es war wie immer ein anstrengendes
Unternehmen, wenn nicht wie in einer Marina an der Tankstelle der Schlauch in den Tankstutzen gesteckt wird. Von der hiesigen Tankstelle kam ein kleiner Transporter mit vier Fässern und einer Handpumpe an den Pier. Während ich die leeren Kanister vollpumpte, pendelte Franz mit den vollen zwischen der SAMBA hin und her. So haben wir nicht nur die Tanks, sondern auch alle verfügbaren sowie einigermaßen verschließbaren Behälter gefüllt. Nur nicht die Kochtöpfe. Das geschah besonders auf Anraten unseres Schweizers Nachbarliegers, welcher eine ausgezeichnete Wetterstation in Betrieb hatte und uns informierte, dass es in den kommenden zwei Wochen keine Wetteränderung geben wird und die herrschende Flaute sich über den ganzen westlichen Teil des Indischen Ozeans hinzieht. Keine gute Nachricht für unser Vorhaben.
Die Genua hatten wir schnell gegen eine Fock getauscht. Nun, weniger Segelfläche, aber dafür bessere Sicht. Unsere Vorräte an Lebensmitteln haben wir nur unwesentlich ergänzt. Ich war besonders versessen auf Äpfel. Das war der Grüne Delicius – haltbar, knackig und erfrischend. In Galle hatte ich sie nicht bekommen, was sehr bedauerlich war. Als ich diese nun in dem kleinen Shop kaufte, etwas teurer als üblich, bedeutete man mir, dass ich sie erst am kommenden Tag so gegen 10:00 Uhr abholen könne. Warum denn das? Also, die Äpfel werden in Malé, der Hauptstadt, bestellt und dann mit der Frühmaschine eingeflogen. Also Geduld. Es ist eben nicht wie bei ALDI um die Ecke. Erstaunlich war für mich, dass ich solche Entzugserscheinungen nach frischen Obst hatte. Ananas, Melonen, Orangen usw. waren ja vorhanden. Aber was Knackiges?
Übrigens Bananen. Mit der unter dem Sprayhood angehängten Staude Babybananen hatten wir, ebenso wie mit den Eiern unsere Freude. Eines Tages fielen unangekündigt große Fliegen, sehr blass und orientierungslos aus dem Bananenbündel heraus. Das machte es zwar leicht sie über Bord gehen zu lassen aber uns immerhin besorgt, was da noch so kommt. Eine nähere Unter-suchung zeigte, dass die Bananenstaude eine Brutstätte heimischer Fauna Sri Lankas der Gattung Maden war. Fliegeneier > Maden > Fliegen. Der ganz natürliche Werdegang. Nun hatte uns der Agent in Galle ja auch eine Kiste Eier, schön in Stroh verpackt, verkauft. Diese hatte ich kritiklos in einem Schapp gestaut. Aufgeschreckt durch die Population in der Bananenstaude kontrollierte ich dann den Inhalt eben von jenem Schapp. Und siehe da, was für ein Gewimmel. Vorsichtig brachte ich das Schapp an Deck und verkündete, dass wir uns eine schöne Mahlzeit aus fast reinem Protein machen könnten. Die Reaktion war nicht schön für mich. Die Eier sammelte ich aus dem Gewimmel heraus und packte sie vorsichtig in Ingrids schöne Modemagazine. Was hat sie für ein Opfer gebracht. Als ich dann den Inhalt des Schapps über Bord kippen wollte, gebot mir Franz Einhalt. Erst muss die Schleppangel raus. Denn solche fetten Happen könnten eben solche fette Beute bringen. Tatsache war, dass wir kurz nach dem Rausschmiss der Maden eine fette Goldmakrele am Haken hatten. Fazit: Du sollst den Nachteil nicht verurteilen, bevor du den Vorteil nicht erkennst. Bei Sonnenuntergang gab es Sashimi, gebratenes Fischfilet auf Senf-Honigsosse mit Mangostreifen und frisch gebackenem Brot. Was haben wir geschlemmt.
Riff vor Baddam. Bild: SY-Taurus Revierbericht Chagos
Da hatte ich ihn, den Barracuda
Die für alle ausgestellte Urkunde, welche bestätigt, dass wir Ende April 2001 in einer finsteren Nacht bei romantischen Mondschein vom Rest der Welt unbemerkt, den Äquator überquerten.
The lost yachtie's paradise
Da alles geregelt und organisiert war, wir unsere Vorräte aufgefrischt hatten, machten wir uns nach Tagen der Ruhe auf zum Chago-Archipel, dem „the lost yachtie's paradise“. Wider Erwarten hatten wir eine leichte Nordost-Brise, welche allerdings um die Mittagszeit herum einflaute. Mit der Äquatorialströmung von Achtern und sparsamen Motoren kamen wir dennoch gut vorwärts und konnten ein Etmal von durchschnittlich 110 sm verzeichnen. Wir waren es zufrieden. Schließlich wollten wir kein Rennen gewinnen. Wichtig war, unser erstes Ziel, die Salomoninseln bei Tageslicht zu erreichen. Allerdings galt es zuerst auf halber Strecke den Äquator zu "überwinden". Das gelang uns auch am folgenden Tag kurz nach Mitternacht unter einem fantastisch leuchtenden Sternenhimmel. Auf die eigentlich notwendige Taufe haben wir verzichtet. Zum einen, weil es an einem passenden Neptun fehlte und zum anderen war ein Sprung ins Wasser des Nachts auch nicht so prickelnd. Wir holten den Spaß am anderen Morgen nach. Eine Urkunde für jeden habe ich dennoch nachträglich ausgestellt.
Das Kartenmaterial war alt und wird auch nicht aktualisiert. Die Einfahrt neben der Ile de la Pas ist nicht einfach und es war wieder die sogenannte „Eyeball Navigation“ angesagt. Die Korallenköpfe waren in dem glasklaren Wasser deutlich zu sehen, besonders wenn man die Sonne im Rücken hat und so erreichten wir denn auch nach einer langsamen Schlängelfahrt glücklich unseren Ankerplatz an der Ile Boddam.
Das Ankern war wegen der vielen Korallen schon schwieriger. So hat man irgendwann Ketten um tote Korallenköpfe gelegt und so brauchbare Moorings geschaffen. An einer solchen konnten wir problemlos festmachen und hatten einen sicheren Liegeplatz. Eine Schnorchel-Kontrolle in dem klaren Wasser erbrachte, dass einige Tampen schon mächtig verrottet waren. Es war schon beeindruckend im 10 m tiefen Wasser die Konstruktion deutlich zu sehen. Unsere sah jedenfalls vertrauenswürdig aus.
Wahrlich, es war ein Paradies. Ringsum ragten palmenbewachsene Inselchen aus dem glasklaren in allen Grüntönen schimmernden Wasser. Wie bunte Tupfer lagen einige Jachten um uns still in der vormittäglichen Ruhe. Passatwolken zogen über einen azurblauen Himmel und nur einige Tölpel begleiteten uns, in der Hoffnung etwas zu futtern aus dem Wasser zu fischen. Und dann diese himmlische Ruhe. Kein Dröhnen von Schiffssirenen, kein Autolärm, nur ein leises Rauschen der Brandung außen am Riff. Wir tranken unseren Festmacher und wünschten uns schöne Tage.
In die Gegenwart wurden wir zurückgeholt, als dann doch ein in Grau gestrichenes Motorflugzeug ohne Kennzeichen im Tiefflug über uns hinweg donnerte. Es sah aus wie eine alte DC-3. Die Luke war geöffnet und irgendwelche Leute schauten auf uns herab. Dann war der Spuk vorbei. Wir sahen uns betroffen und etwas ratlos an bis Franz uns erklärte, dass das die Kontrolle von der weiter südlich gelegenen US-Marinebasis auf Diego Garcia war. Sie fliegen regelmäßig die Inseln und Atolle des Chago-Archipels ab, um alle Veränderungen zu registrieren. Also freundlich lächeln, wenn man fotografiert wird. Auch kommt einmal im Monat ein Boot der Engländer vorbei, die Sailors kontrollieren die Segler, kassieren eine Gebühr von 30,00$ pro Monat und Nase und nehmen den Müll mit. Alles korrekt und nicht unfreundlich. Es soll sogar Zeiten gegeben haben, wo die Jungs von der Navy mit den Seglern richtige Strandpartys gefeiert haben. Die Segler werden ohnehin nicht gern in diesem Revier gesehen. Warum das so war, erfuhren wir später und konnten uns auch ein eigenes Bild von der Vergangenheit machen. Jedenfalls war das Kontrollboot vor einigen Tagen durch und wir konnten unsere Dollars behalten. Schließlich wollten wir nicht so lange bleiben, bis sie wieder auftauchten. Von wegen Paradies. Es war dort so Brauch und Sitte, dass man sich am späten Nachmittag am Strand traf, Essen und Trinken mitbrachte und sich im Austausch der selbst gefertigten kulinarischen Köstlichkeiten kennen lernte.
Diese bestanden zumeist aus Fisch und Meeresfrüchten mit selbst gebackenem Brot oder Kuchen. Diese Treffen fanden im sogenannten „Jachtclub“ statt. Ein Ort dicht am Wasser und vor den Resten eines ehemaligen Dorfes deren Ruinen vom wuchernden Dschungel zurückgeholt, von der Geschichte der zwangsumgesiedelten Chagossianer oder auch Îlois erzählten. Es gab da einen Grillplatz, ein Volleyballfeld, einen großen Tisch zum Tafeln, Plastikhocker und Stühle, einen praktischen Tisch um Fische zuzubereiten, einen Brunnen mit Brauchwasser (Süßwasser auf Salzwasser) gut zum Wäsche waschen und einen kurzen Anleger aus Beton. An dem hat nur keiner festgemacht, da er, so wie auf den freien Wegen und dem Sandstrand, bedeckt war mit einem Gewimmel von Unmengen Einsiedlerkrebsen mit ihren Gehäusen. Sie tragen die unterschiedlichsten Behausungen mit sich herum, zum Teil wunderschöne Schneckenhäuser. Diese zu sammeln geht nicht, denn will man eine aufheben, laufen sie davon oder man stellt fest, dass sie bewohnt ist. Man musste sich schon vorsichtig bewegen, um nicht auf eine drauf zutreten. Na ja, bei der Wohnungsnot hier will man ihnen die Einraumwohnungen auch nicht wegnehmen.
Der Reiz in diesem Revier ist, blendet man die politischen Spielchen aus, tatsächlich die Ruhe und Einsamkeit. Um hier einige Zeit zu verbringen, muss man schon autark sein. Außer Fisch und Kokosnüssen gibt es hier nichts, womit man sich versorgen kann. Der Fischreichtum ist sagenhaft. Ingrid wurde von einem netten Holländer zum Fischen eingeladen. Sie war restlos von der Angeltour begeistert. Nach weniger als drei Stunden am Riff waren sie mit dem Dinghi voll Fisch zurück. So was hatte ich noch nicht gesehen. Die Beute waren Barsche, Wahoos, Snapper und Bonitos – was für eine Pracht.
Nachdem die Beute geteilt war, begann das Kochen, Braten und Einlegen. Jedenfalls hatten wir unser Mitbringsel in verschiedenster Form für die nachmittägliche Party im „Jacht-Club“. Der Renner waren das Sashimi und eine Fischsuppe á la original russischer „Ucha“ aus Seefisch. Bei diesem Ucha-Rezept wird magerer Fisch mit fetten Fischsorten kombiniert und die hatten wir. Zwiebeln, Karotten, Kartoffeln, Sellerie, Zitrone und Gewürze waren reichlich vorhanden. Das einzige Problem war, das ganze Gesuppe ohne es zu verpläppern im Dinghi an Land zu bringen. Es war unser Einstand, der gerne angenommen wurde. Kannten doch einige Segler, welche schon länger unterwegs waren, Kartoffeln nur noch von Hörensagen.
Ein Nachbarlieger namens Peter, ein deutscher Aussteiger, welcher mit seiner thailändischen Frau Freundin schon lange mit einem defekten Großbaum hier sein Leben fristete, hatte auch seine Fischsuppe gekocht. Von der behauptete er, das sei die Berühmteste im ganzen Indische Ozean. Nur schade, dass wir ihm die Schau geklaut haben. Er machte den Fehler die Fischköpfe mitzukochen. Das hatte zur Folge, da er die Augen der Fische mitgekocht hatte, die Suppe trübe wurde. Auch hat er, statt Süß- und Salzwasser halbe-halbe zu mischen, nur dass klare saubere Salzwasser genommen. Folge war, dass er seinen Pott wieder mitnehmen konnte.
Es waren schöne und erlebnisreiche Tage. Bei einem Spaziergang durch den Palmendschungel entdeckten wir nicht nur die Ruinen des Dorfes der deportierten Chagossianer, sondern auch die fleißigen Kokosnusskrabben, auch Palmendiebe genannt. Diese kommen eigentlich nur zur Dämmerung aus ihren Höhlen, aber einige versuchen schon am späten Nachmittag die Palmen zu erklettern oder sich an am Boden liegenden Kokosnüsse gütlich zu tun.
Die Fische wurden an Land ausgenommen und portioniert. Die Reste wurden dann einfach am Anleger ins Meer gekippt. Was war das dann für ein Gewusel. Rochen, kleine Haie, Barsche usw. machten sich über das zusätzliche Nahrungsangebot her. Allerdings hatte eine große Muräne die Nase vorn. Sie hatte ihr Quartier unter dem Anleger.
Der Chagos-Archipel. Hier führte unsere Reise von den Salomon Islands quer durch die Great Chagos Bank zu den Egmont Islands. Nur ein kleiner Teil der Korallenbänke ragt aus dem Wasser. Der Rest liegt so 2 - 20m unter Wasser. So war das queren der Graet Chagos Bank kein Problem.
Beim Betrachten der versalzenen Fischsuppe von Peter entgehe ich nur knapp der "Enthauptung".
Kokosnusskrabbe auf Nahrungssuche
Viel Fisch bedeutet auch viel Sorge um das Haltbar machen. Auch muss er sofort verarbeitet werden, wenn man keine Möglichkeit hat ihn einzufrieren. Neben dem Braten und Kochen verwendeten wir noch eine andere einfache Möglichkeit der Haltbarmachung. Der Fisch wird filetiert, in große Würfel geschnitten und in Essig eine Stunde gebeizt. Die Säure spaltet die Eiweiße im Fisch, sodass das Fleisch zarter wird. Nach dem Beizen werden die Fischwürfel abgetupft und in einem großen verschraubbaren Plastikbehälter lagenweise mit in Scheiben geschnittenem Knoblauch geschichtet. Dann wird der Behälter mit Olivenöl so aufgefüllt, dass keine Luft mehr drin ist und die Fischstücken mit dem Öl bedeckt sind. Das Öl kann man, wenn alles aufgefuttert ist, wieder verwenden. Unser Vorrat reichte bis zum Ende unserer Reise.
Es waren schöne unbeschwerte Tage. Hier lernte ich auch die Zubereitung von Kokosmilch. Kokosnüsse gab es hier reichlich. Der Strand am „Jachtklub" sah schon lustig aus. Er war bedeckt mit austreibenden Kokosnüssen im unterschiedlichsten Stand des Wachstums. Alles wuchert zu. Deshalb kann man auch nicht so schön unter Palmen wandeln. Geht nicht. Der Boden ist bedeckt mit einem Gewirr von trockenen Palmenwedeln und einem Gestrüpp aus umgestürzten Palmen sowie nachwachsenden Bäumen. Man könnte sich nur mit einer Machete den Weg bahnen. Nur auf den fest getretenen Wegen kann man die Umgebung erkunden und wird immer wieder mit den Überresten der früheren Besiedlung konfrontiert.
Wir wussten ja von der Rolle der USA auf Diego Garcia. Aber so richtig wurden wir hier aufgeklärt, was eigentlich auf dem Chago Archipel für eine politische Sauerei passierte. Es war eigentlich typisch für die große Politik. Die USA brauchten wieder einmal einen Militärstützpunkt. Diesmal in der Region des Indik. Schön zentral gelegen und möglichst ohne Nachbarn. Großbritannien hatte das. 1965 gliederte Großbritannien die Chagosinseln aus ihrer, in die Selbstständigkeit entlassenden Kolonie Mauritius aus und schuf das British Indien Ocean Territory, kurz BIOT. 1966 schlossen Großbritannien und die USA einen Pachtvertrag über das Atoll Diego Garcia für 50 Jahre (plus 20 Jahre Verlängerung, falls gewünscht). Die USA belieferten Großbritannien im Gegenzug mit sehr günstigen Polarisraketen. Das war der Deal. Dazu kam, dass die USA keine Kokosplantagen, sondern eine riesige Marinebasis und einen großen Flugplatz brauchten. Also brauchten sie auch nicht die Leute, die dort lebten. Ebenso wenig die Einwohner der anderen Inseln des Archipels, denn die könnten nur neugierig ob der stinkgeheimen Aktivitäten der Amis werden. Die Briten machten mit und die Bewohner des Chagos-Archipels wurden zwischen 1968 und 1973 von ihnen aus ihrer Heimat, dem britischen Territorium im Indischen Ozean, vertrieben mit dem Ziel, sämtliche 55 Inseln des Archipels zu entvölkern. Also zwangsumgesiedelt, deportiert und verjagt in die umliegenden Inselstaaten.
Damit dass auch alles richtig funktioniert, das mit der Geheimhaltung, wurde von den Briten das größte Meeresschutzgebiet der Welt eingerichtet. Auf einer Fläche von 544.000 Quadratkilometern rund um den Chagos-Archipel ist kommerzieller Fischfang ab sofort verboten und der Artenschutz streng durchgesetzt. Bis auf die Art „Mensch“.
Deshalb waren auch die Segler aus aller Welt nicht erwünscht. Erst als 2007 eine relativ teure Ankergenehmigung eingeführt wurde, kamen immer weniger Segler um ihren Traum von „Einsamkeit“ zu leben. Schon lange vor dem Eintreffen muss man das Permit bei der BIOT (BIO-Tadmin@fco.gov.uk) in London beantragen. Hier kassiert die Königin eben 50,00 GBP pro Woche für ihre Gunst, das man hier bis zu vier Wochen verweilen darf. Das Permit erlaubt nur zwei Ankerplätze in Salomon Islands und drei sehr offene Ankerplätze in Peros Banhos. Ankern außerhalb dieser Plätze oder ohne Erlaubnis wird mit sehr hohen Geld- oder gar
Gefängnisstrafen geahndet. Ein Patrouillenboot des BIOT macht alle paar Wochen einmal Halt in den Atollen und kontrolliert sorgfältig die Papiere.
Glücklicherweise konnten wir noch vor diesen restriktiven Maßnahmen dieses Paradies besuchen. Während wir noch uns unbesorgt jedweden Fisch angeln konnten, ist es zwar heutzutage auch noch möglich, aber man muss jeden Fischschwanz sorgfältig nachweisen und dokumentieren. Mit dieser Bürokratie muss das so richtig Spaß machen. Damals war es uns auch nach gut einer Woche Aufenthalt auf den Salomon Islands möglich Egmont Islands anzulaufen.
Der Diesel wird knapp und die Weiterreise nach Egmont Islands
Vorher aber erfuhr Franz, dass ein Fischkutter auf ein Riff vor der Île Mapou (NÖ im Atoll) aufgelaufen ist und dort der Diesel verhökert wurde. Also machte er sich mit allen leeren Kanistern, etwas Proviant und 100,00 $ aus der Bordkasse auf um uns die nötige Sicherheit für die Weiterreise zu verschaffen. Das Unternehmen wollte er alleine stemmen, da der Platz im Dinghi durch die Kanister sehr begrenzt war.
Die Stunden vergingen. Es wurde Nachmittag, der grandiose Sonnenuntergang machte mich auch nicht ruhiger und von Franz keine Spur. Als sich die ersten Sterne zeigten, machte ich am und im Schiff alle Lichter an, sogar den Deckstrahler. Die CALYPSO hat gestrahlt wie ein Weihnachtsbaum, denn alle anderen Nachbarlieger hatten keine Funzel an. Denn für sie ist Diesel ebenfalls knapp und Strom sparen war überall angesagt. Wie sollte er sich aber sonst orientieren? Der Ladezustand der Batterien war mir Wurscht. Der Nachbarlieger kam mit dem Dinghi und fragte, was denn hier bei uns für ne Party abgeht. Ich erklärte ihm die Lage und er versprach Standby für Hilfe zu bleiben. Prima Kerl. Wir übrig gebliebenen saßen da und schwiegen uns an. Die Situation und die Folgen … nein, wir wollten nicht daran denken.
Verena war die Erste, welche ein Geräusch wahrnahm. Sie stand auf, stieß mich an und zeigte in die Richtung aus der Franz kommen sollte. Da hörte ich es auch. Ein ganz schwaches Motorgeräusch näherte sich und da war Franz, erschöpft aber froh uns gefunden zu haben. Die Kanister ausladen und Franz mit fester und flüssiger Nahrung versorgen war ohne viele Worte schnell bewerkstelligt. Keine überflüssigen Fragen und schnelles Reagieren. Ich dachte, was für ein Team – und das hat mich wirklich gefreut.
Die Batterien wurden wieder aufgeladen, denn wir mussten bei anhaltender Flaute zu unserem nächsten Ziel den Jockel anschmeißen. Wir manövrierten uns also an den Korallenköpfen von Salomon Islands vorbei und nahmen Kurs Südwest auf das etwa 100 sm entfernte Egmont Island. Dazu querten wir die Great Chagos Bank, das größte Korallenatoll der Welt. Das war kein Problem, denn Wassertiefe und Ausdehnung erlaubten das, wenn man sich nur weit genug von den wenigen Inselchen, wie Danger Island im Westen, fernhielt. Bei strahlendem Sonnenschein erreichten wir dann auch dieses wahrhaft paradiesische Atoll. Die Ansteuerung erfolgte von Nordost und uns bot sich ein traumhafter Anblick einer halbmondförmigen Kette von Inseln mit einem blendend weißem Strand und sich im sanften Wind wiegenden Palmen. In Erinnerung habe ich nur die Farben Türkis (Wasser), Weiß (Strand), Grün (Palmen) und Blau (Himmel). Ein einsamer Katamaran zeigte an, dass hier Menschen sind. Von diesem legte, kaum, dass der Anker ausgebracht war, ein kleines Dinghi ab und wir bekamen von freundlichen Neuseeländern die Warnung, dass wir beim Schnorcheln oder gar Tauchen vorsichtig sein sollten, denn ein sehr großer (?) Barrakuda sei hier der Platzhalter und der hätte irgendwie sehr schlechte Laune. Ich wagte dennoch einen Schnorchelgang in dem unglaublich klaren Wasser.
Bild oben: Unwegsamer Palmendschungel
Bild unten: Die Bilderbuchwelt von Egmont Islands
Bild oben: Die Reste der Kirche auf der Ile Boddam (Salomon Islands). Bis 1965 wohnten hier etwa 400 Ureinwohner (Chagossianer).
Bild unten: Émile, der französische Alleinsegler, welcher mir fast die "kostbare" Ingrid ausgespannt hätte.
Ein Zackenbarsch aus dem großartigen Fang wird ausgenommen.
Glücklicherweise habe ich in die richtige Richtung geschaut und was ich da sah, ließ mich ziemlich schnell zurück auf die in der Nähe befindliche Badeplattform hechten. Ein Schwarm Barsche zog in nicht allzu großer Entfernung auf der Flucht an mir vorbei. Dahinter ein schwarzer länglicher Schatten, der plötzlich die Richtung ändernd auf mich zuschoss. Ich habe nicht gewartet, um ihm die Flossen zu schütteln, sondern habe eingedenk der Warnung besagtes Manöver vollzogen. Wir haben ihn noch einmal gesehen als er misstrauisch oder wachsam die CALYPSO umkreiste. Im klaren Wasser war sein langer schlanker Körper mit seinem spitz zulaufenden Kopf deutlich zu sehen. Er hatte schätzungsweise eine Länge von etwa 2 m. Die Schleppangel mit dem großen Haken brachten wir nicht aus, denn was sollen wir mit so viel Fisch.
Aber es hatte noch einen anderen Grund. Der Barrakuda steht am Ende der Nahrungskette und es kann durchaus passieren, dass sich besonders bei großen Exemplaren in ihnen das giftige Ciguatoxin anreichert, sodass es beim Verzehr von Barrakudafleisch zu Vergiftungen kommen kann. Die von uns geangelten Barrakudas waren immer recht klein und wir hatten nie Probleme. Zumal wir sie immer auf hoher See fingen.
Wir blieben drei Tage in diesem Paradies. Baden im Flachwasser, Barbecue und Wandern am Strand. Ein Wandern unter Palmen kam nicht infrage, da alles zugewuchert ist. Wege gab es keine mehr. Ich nutzte die Gelegenheit und produzierte Kokosmilch auf hergebrachte Art und Weise. Kokosnüsse gab es in Massen, denn nach einem kurzen Gewittersturm vor einigen Tagen brauchte man sie nur aufsammeln. Ich suchte mir am Strand eine schattige Stelle unter Palmen, wo ich versuchte die Multifunktionsverpackung der Kokosnüsse aufzubekommen. Dazu verwendete ich ein Küchenbeil, einen Hammer und ein Stemmeisen. Auf einem umgekippten Baum machte ich mich denn ans Werk. Zuerst hackte ich eine Vertiefung in den Baumstamm, damit die Kokosnuss auch nicht wegkullert, wenn ich sie malträtiere. Mit dem Küchenbeil hackte ich die grüne Außenhaut und einen Teil der Faserschicht weg. Es war eine wilde Klopperei. Ging aber ziemlich flott. Nur auf meine Finger musste ich aufpassen und sie rechtzeitig in Sicherheit bringen. Den Rest der Faserschicht riss ich mit der Hand ab, wobei ich mit dem Stemmeisen nach half. So hatte ich erst einmal etwa 10 Nüsse für das eigentliche Öffnen vorbereitet. Die harte Schale schlug ich dann mit dem Hammer bei ständiger Drehung der Nuss auf, indem ich die Schläge auf die Mitte der Nuss setzte. Die harte Schale löste sich ziemlich leicht. Etwas Fruchtwasser habe ich dann noch für den Sundowner gesammelt. Das weiße Fruchtfleisch ließ sich leicht aus der Schale lösen. Nun hatte ich reichlich Fruchtfleisch in der Pütz. Zurück auf dem Schiff begann der heftigste Teil der Übung: das Reiben des Fruchtfleisches mit der dünnen braunen Hülle auf einer einfachen Küchenreibe. Man hat davon schnell die Nase voll. Aber was solls. Ich wollte es so und eine Küchenmaschine hatte ich nicht. Das geriebene Fruchtfleisch habe ich dann in einem Topf mit der doppelten Menge kochendem Wasser übergossen und über Nacht stehen gelassen. Am anderen Morgen habe ich dann die Pampe mit einem Geschirrtuch ausgepresst. Die Sauerei hielt sich in Grenzen und das Ergebnis war zufriedenstellend. Jedenfalls sicherte es uns für die nächsten Tage Thai-Curry, Kokosnussreis und Fisch in Kokossoße. Im Kühlschrank aufbewahrt ist die Milch 2-3 Tage haltbar. Für die fast trockene Pulpe hatte ich keine weitere Verwendung. Fazit der ganzen Übung: Wenn man nicht unbedingt seinen Bewegungsdrang austoben will, ist der Gang in den Supermarkt der einfachere Weg.
Den Kokosnusskrabben, auch Palmendieb genannt, habe ich keinesfalls was weggenommen. Für sie gibt es hier reichlich Nahrung. Auf den Inseln sind sie überall zu finden. Natürliche Feinde haben sie nicht. Es sei denn, sie sind noch sehr klein und brauchen eine Muschel um sich zu schützen. Sind sie doch die größten Tiere. Bis zu etwa 50 cm werden die Kletterer groß. Ich sah sie in der Dämmerung auf Beutezug gehen und bewunderte ihre Geschicklichkeit. Übrigens, die Größenangaben variieren. Auch lassen sie die Kokosnüsse nicht herunterfallen, um sie dann zu schnabulieren. Sie vertilgen den Inhalt sowohl auf der Palme als auch am Boden.
Irgendwie kam mir immer wieder der Gedanke, dass ich mich in einer Werbung von Thomas Cook oder TUI befinde und plötzlich irgendeine lächelnde Schöne auftaucht und fragt, ob ich denn auch wirklich, ganz wirklich zufrieden bin. Das Versprechen der Werbung nach Abgeschiedenheit, Ruhe und Romantik sind hier Wirklichkeit und nicht nur schöne Bilder und Worte. Damit das nicht doch passiert, nahmen wir Abschied von Egmont Island. Wir waren zwar nicht die Letzten aber vielleicht die Vor-Vorletzten, welche dieses schöne Stück Erde erleben durften. Paradies? Vielleicht, wenn nicht im Hinterkopf ständig die vergangenen und gegenwärtigen Umstände in dieser Region die Stimmung vermiesen würde.
Kurs Saychellen
Also den Anker gehievt und Kurs auf die Seychellen. Unser Ziel war der etwa 1000 sm entfernte Victoria Harbour auf Mahé Island. Auf unserem Kurs Richtung West hatten wir unverschämtes Glück mit Wetter und Wind. Der Passat blies mit 3 – 4 bft stetig aus Ostnordost und erlaubte eine flotte Fahrt mit Raumwindkurs. Nur nachts flaute es etwas ein, was aber der Freude keinen Ab-bruch tat. So hatten wir Etmale von 120 bis 140 sm. Auf diesem Abschnitt unserer Reise war nicht einmal ein Segelmanöver erforderlich. Nur manchmal brieste es auf, wenn uns eine Regenwolke ein- und überholte. Das war uns insofern recht, da wir unsere Süßwasservorräte auffrischen und uns auf dem Vorschiff so richtig duschen konnten. Das Letztere wurde zu einem fröhlichen Theater. Die Damen wollten einen Vorhang und der Rudergänger sah demzufolge nichts mehr. Eben nichts! Was für ein Gequieke um das bisschen Offenheit. Man ist ebenso, wie man ist. Punkt. Irgendwie schlich sich eine schöne Regelmäßigkeit in unseren täglichen Ablauf ein, welchen wir doch sehr vermissten, als wir nach acht Tagen zwar nicht unser eigentliches Ziel erreichten, dafür aber erst einmal vor den Sister Island ankerten. Die beiden schönen Inseln lagen auf unserem Kurs als nächste Punkte mit festem Untergrund. Grande Soeur ist eine Insel der Seychellen. Sie liegt nördlich von Félicité und östlich von Praslin. Sie bildet mit der Insel Petite Soeur, westlich von Grande Soeur gelegen, die Sister Islands und ist mit einer Hotelanlage in Privatbesitz.
Wir beschlossen auf der Fahrt nach Victoria, noch einige andere Inseln, wie Praslin, zu besuchen. Mit einer der schönsten Buchten überhaupt auf Praslin, die Anse Lazio. Eingeschränkt wurde unser Inselhüpfen von der Tatsache, dass einige Inseln entweder Naturschutzgebiete sind oder sich in Privatbesitz mit exklusiven Villen befinden und von Unbefugten nicht betreten werden durften. So z.B. die Insel North, wo eine Unterkunft schon für den stolzen Preis von über 5000 Euro/Nacht zuhaben ist. Etwa 115 Inseln zählt das Inselreich der Seychellen.
Brotfruchtbaum im botanischen Garten. Reife Brotfrüchte sind goldgelb und haben einen strengen, süßen Geschmack.
Bild oben: Die Muskatnuss mit der dicken Schale, und der den Kern umschließende Samenmantel genannt „Muskatblüte“ (Macis)
Bild unten: Die fruchtig-süß schmeckende Jack-frucht
Bild oben: Mangobaum
Bild unten: Strauch mit Sternfrüchten (Karambole). Sie haben einen schwach säuerlich bis süßen Geschmack
Papaya-"Baum". Das gelbe bis lachsrote Fruchtfleisch schmeckt besonders süß und aprikosen-artig.
In botanischen Garten von Victoria (Saychellen) Palme Coco de Mer
In botanischen Garten von Victoria (Saychellen) Palme mit männlichem Blütenstand
Eine Coco de Mer, ausgestellt im Museum und der Galerie "The Higgins" in Bedford. Wie man sieht, sehr weiblich.
Bild: Simon Speed, CC0, via Wikimedia Commons
17 Inseln von ihnen befinden sich in Privatbesitz. Z.B. Bird Island, Fregate Island oder North Island. Der Staat hatte aus Geldnot sein Nationaleigentum verkauft. Ob das der richtige Weg war? Viele von den Inseln sind nur Felshaufen im Meer, welche aber Brutplätze von Millionen Seevögeln sind. Ein fantastischer Anblick und ein infernalisches Gekreische der Vögel, welche ohne Scheu das Schiff als Rastplatz nutzten und erbarmungslos das Deck voll kackten. Allerdings hielt ein Stopp vor Grande Seour die Damen unserer Crew nicht ab, trotzdem und aus schierer Neugierde zum einladenden Strand zu schwimmen. Verbotene Früchte sollen irgendwie schmecken. Sie erzählten, dass sie sehr freundlich auf ihrer Entdeckungstour aufgenommen wurden. Nachdem sie sich am Badestrand über Inhalte von Kisten mit Frottiertüchern und Kühlboxen mit diversen Getränken informierten sowie einen leer stehenden Bungalow inspiziert hatten, wurden sie dennoch erwischt. Na, ich würde ihrer Erzählung folgend, sagen, sie wurden von einem höflichen Angestellten höflich gefragt, ob sie denn mit dem Entdecktem zufrieden seien und ob sie denn nicht doch, vielleicht, eventuell buchen würden. Wollten sie nicht. Der Preis. Der Törn. Die Koje auf dem Schiff. Damit war nach einer kurzen Führung durch den Angestellten ihr Aufenthalt beendet, indem er sie noch mal höflichst bat, doch wieder ins Wasser zu steigen und sich endlich zu verpissen. Was haben wir gelacht.
Es waren uns noch weitere Aufenthalte an solchen verbotenen Orten vergönnt. Schließlich wollten wir auch an dem Reichtum dieses Paradieses teilhaben. Aber, so muss ich extra betonen, haben wir keine Auflagen oder Regeln des dort sehr streng gehandhabten Naturschutzes verletzt. Dazu möchte ich noch sagen, dass wir lediglich an den Strand schwammen, uns nur am Strand aalten und ansonsten die Finger von allem ließen.
Mit Recht steht etwa die Hälfte der Inseln unter Naturschutz und deren Betreten ist verboten. Das tut aber der Tatsache keinen Abbruch, dass die Seychellen ein wunderschönes Fleckchen Erde sind und ein Besuch durchaus lohnenswert ist. Wir haben während unseres Aufenthaltes viel erlebt. Angefangen von der Traumbucht Anse Lazio auf Praslin mit dem schönen Restaurant „Le Chevalier“, dem Nationalpark Vallée de Mai ebenfalls auf Praslin, der Radtour auf La Digue und natürlich der Hauptstadt Victoria auf der Insel Mahé. Hier machten wir im Jachthafen des Seychelles Yacht Club fest. Nach der Anmeldung beim Hafenmeister in Port Victoria mussten wir etwa 2 Stunden in der Buch warten und wurden dann zum Hauptankerort geleitet, der als gut geschütztes Jachtbecken bekannt ist. Wir machten an einer Mooring fest und erhielten gegen Zahlung eines temporären Mitgliedsbeitrags Zugang zu den Einrichtungen des Clubs. So z.B. konnte man einen Wertgutschein erwerben, mit dem man im Restaurant Essen und Getränke zu angemessenen Preisen bezahlen konnte. Der Club befindet sich direkt in der Stadt und nur wenige Gehminuten von allen Einrichtungen entfernt. Das war für alle Aktivitäten meines anschließenden Landurlaubes sehr bequem.
Der Landgang führte uns zuerst zur Barklay-Bank und Ingrid löste sich zu meiner großen Erleichterung bei mir aus. Allerdings hatte ich ihr den Kredit in EURO gegeben. Deshalb bekam ich bei dem damaligen Kurs eine große Plastiktüte voll Rupien (SCR) in die Hand gedrückt.
Reichlich Papier für meinen restlichen Urlaub. Der zweite Weg war in den Supermarkt, wo ich mir zum Stillen meines Appetits, wie auf dem Addu Atoll, erst einmal Äpfel kaufte. Schnurps. Ein Genuss nach dem ganzen Süßkram.
Der Landurlaub auf den Inseln der Saychellen
Dann hatten wir noch eine Woche Zeit um mit Inselhüpfen, Schwimmen, Schnorcheln und gutem Essen der nationalen Küche die Schönheit dieser Inselwelt zu erleben. Der erste Schlag führte uns zu der großen Insel Praslin. Nicht zur Anse Lazio, sondern dieses Mal in die Bay St. Anne. Ziel war der Nationalpark Valle de Mai.
Dieser hat mich stark beeindruckt. Der Vallée de Mai, in dem die berühmte Seychellenpalme beheimatet ist, die so manchem auch unter dem Namen Coco de Mer (Seychellennuss, Coco de Popo) bekannt sein könnte. Diese Wundernuss ist von Form und Größe her sehr bemerkenswert. Diese Palmen wachsen nur hier, auf der Insel Curieuse und im botanischen Garten von Victoria. Nachdem unser Törn zu Ende war und ich noch einige Tage in Victoria geblieben war, besuchte ich oft eben diesen botanischen Garten. Ein liebevoll gepflegtes Refugium der einheimischen Pflanzen. Natürlich hätte auch ich eine solche Nuss als Souvenir gehabt, aber die Preise bewegen sich zwischen 200 und 600 €. Man kann auch nicht irgendwo eine aufsammeln. Sie sind wegen ihrer Seltenheit streng limitiert und werden argwöhnisch überwacht. Nicht weniger erotisch präsentieren sich allerdings die männlichen Bäume dieser Art: Phallisch geformte Blütenstände ragen meterlang aus den Blattkronen, sodass es nicht wundert, dass man sich einst erzählte, dass die männlichen Bäume des Nachts bei Sturm und Gewitter sich auf den Weg machen, um sich mit den weiblichen Bäumen heimlich zu paaren.
Geht man allein durch den Park, sieht man eigentlich nur Palme neben Palme. Sonst nix. Das Wetter war klar und die Sonne knallte von einem blauen Himmel herunter. Im Park war es dämmerig grün und feucht-warm. Wir sind fast ganz allein hier und wenn ein Windstoß im Tal die riesigen Blätter der Palmen in Bewegung setzt, dann wird es etwas gruselig. Ein einzelnes Palmenblatt hat doch die Größe von mehreren Metern. Dabei sind die Teile so fest und starr, dass die Geräusche bei jeder Bewegung ein schabendes raschelndes Rauschen erklingen lassen, als wenn man Dachpappen schnell gegeneinander verschiebt. Der Anblick dieser massiven Ansammlung von Palmen und des saftigen und dichten Grüns und der dazwischenliegenden Masse an abgefallenen und abgestorbenen Palmwedeln versetzt einen für die Zeit des Aufenthalts in die Urzeit zurück. Hier wird die Natur sich selbst überlassen und ich bin beeindruckt so ein unberührtes Stück Natur sehen zu dürfen. Dieses Rascheln wird nur vom plätschern eines Baches unterbrochen, dessen klares Wasser direkt am Weg vorbeiführt. Die schwül warme fast unbewegte tropische Luft, sowie die ganze unwirkliche Atmosphäre lässt einen geradezu automatisch in die Knie gehen und das wohlschmeckende Wasser schöpfen. Es war überraschend frisch, weich im Geschmack und lässt jedes noch so gutes Prickelwasser aus der Flasche als künstliches Getränk weit hinter sich.
Bild oben: Trinkkokosnüsse im botanischen Garten
Bild unten: Der Strand Anse Lazio auf Praslin
Bild oben: Flughunde werden in der Dämmerung aktiv
Bild unten: Die Riesenschildkröten
Bild oben: Das reizvolle Restaurant „Kaz Zanana“
Bild unten: Eine Teeplantage
Muskatnussbaum im botanischen Garten
Es ist der Regierung zu danken, welche das Ziel, alle ortsfremden Pflanzen in diesem Park auszurotten und es wieder in seinen Urzustand zu versetzen, energisch verfolgt. Übrigens hatte ich es im botanischen Garten von Victoria auf die Nutmeg (die Muskatnuss) abgesehen. Hier standen an einem Bach recht abgeschieden vom Hauptweg, vier der Muskatbäume, welche besonders nach starkem Wind ihre Früchte abwarfen.
Für mich waren sie ein schönes Souvenir. Wenn schon keine große Nuss wie die Coco de Mer, dann eben einige kleine. Man musste nur beizeiten da sein, denn es gab noch mehr Interessenten, um zu sammeln. So traf ich denn eine Sammlerin, welche mich vorwurfsvoll anschaute, als sie mir entgegenkam. Immerhin hatte ich schon drei Bäume hinter mir und klaubte gerade die in ihrer dicken grünen Schale verpackten Nüsse, ähnlich der Walnuss, vom Bachrand.
Wir kamen ins Gespräch, bei dem sich herausstellte, dass sie erstens ein Restaurant betreibt, zweitens die Nüsse hierzulande doch ziemlich teuer sind und sie drittens daher Geld spart. Im Laufe des Gespräches machten wir einen Deal. Wir teilten die Nüsse, das heißt, ich gab ihr den größten Teil der Meinigen und sie lud mich in ihr Lokal ein. Abgemacht. Und so begab ich mich am Nachmittag zum Restaurant „Kaz Zanana“. Ich ging die Revolution Avenue vom Tower Clock aus hoch und erlebte eine schöne Überraschung. Mich empfing ein in traditionell kreolische Architektur gebautes, nicht sehr großes Holzhaus, was halb Restaurant, halb Bildergalerie war. Den Reiz machten vor allem die kleinen holzgetäfelten Räume, die ordentlich gehängte Galerie und vor allem die kulinarischen Köstlichkeiten aus.
Die Schnitzereien an den Geländern und an der Holzvertäfelung widmeten sich vorwiegend der Ananas, welche zwar dem Restaurant nicht den Namen gab, aber wunderschön in die Gestaltung passte. Der Name bedeutet eher „Wohnbereich für Frauen“. Ich wurde freundlich begrüßt und mit einem sehr guten Kaffee sowie gebackener Ananas, natürlich mit einer Prise Muskatnuss gewürzt, bewirtet. Da meine Zeit auf den Seychellen sich dem Ende näherte, versicherte ich der Wirtin, dass sie von mir hinsichtlich der Sammelei von Muskatnüssen nichts mehr zu befürchten hatte. Heute sieht die Lokalität sicherlich ganz anders aus. Die Zeit. Alles ändert sich.
Dann waren noch die Riesenschildkröten und die Flughunde. Erfreulich, dass die Natur uns hier solche Exoten zurückgelassen hat. Beide Arten profitierten, nicht nur im botanischen Garten, sondern auch nahe beim Hotel, von einem riesigen Mangobaum, der so groß war, dass man den beim besten Willen nicht mehr pflücken konnte. In einem Gehege darunter taten sich die riesigen Ureinwohner an den heruntergefallenen Mangos gütlich. Oben fielen mit Einbruch der Nacht die Flughunde ein und delektierten sich an den reifen Mangos und schmissen den Schildkröten die angefressenen Früchte vor die Nase. Eine sinnvolle Symbiose. Dann muss ich gestehen, dass ich Flughund gegessen habe. Nun, es schmeckt wie fruchtiges Hühnchenfleisch, aber als ich die nachtaktiven Tierchen in der Käfighaltung gesehen habe, verzichtete ich gerne auf deren Verzehr.
Bei meinem Aufenthalt und freundlichen Gesprächen mit meinem Wirtsehepaar stellte ich fest, dass es eigentlich keine Armut gibt. Eine ehemals sozialistische Regierung sorgte dafür, dass die Bildung hohe Priorität hat, dass alte Menschen aufgefangen werden in einem Netz von Hilfeleistungen und Renten, dass die Gesundheitsfürsorge und die medizinische Versorgung für ein afrikanisches Land gut organisiert war. Auch war die Arbeitslosigkeit sehr gering. Und die Bus- und Taxipreise waren ein Trinkgeld. Ich war in einer Zeit dort, wo es mit der Finanzpolitik des Landes ziemlich bergab ging und der Devisenhunger recht groß war. Der Schwarzmarkt mit Devisen blühte. Der Dollar wurde zur Rupie weit über dem offizielle Wechselkurs allenthalben hinter vorgehaltener Hand. Na Hallo! Ich war knapp bei Kasse und habe mich entsprechend versündigt. Tschuldigung nachträglich. Streng wurde es, als die Regierung beschloss, dass die ausländischen Gäste künftig ihre Hotelrechnungen in ihrer devisenträchtigen Landeswährung zu bezahlen hatten. Die hatte ich nicht mehr. Ich konnte mich damit rausreden, dass ich schon vor dem Aderlass im Lande war. Heute hat sich das nach einer politischen Umorientierung und der damit vermiedenen Zahlungsunfähigkeit des Landes drastisch verändert. Ich hoffte nur nicht im sozialen Bereich. So verbrachte ich nach dem Törn noch einen schönen Landurlaub. Mein Weg führte mich auch zu einer in den Bergen befindlichen Teeplantage. Sie liegt in der kühlen Bergluft an den Westhängen des Morne Seychelles National Park inmitten von Terrassen mit Teesträuchern. Klar weiß ich, dass im tropischen Hochland Tee gut gedeiht. Auf den Seychellen, die an sich ja nicht für ihre großen landwirtschaftlichen Flächen bekannt sind, hatte ich damit aber nicht gerechnet. Wobei, allzu groß ist die Anbaufläche nun auch wieder nicht. So gibt es nur eine Teefabrik und die Ernte reicht grade mal für den Eigenbedarf auf den Inseln.
Aber auch hier wird etwas getrickst. Bei einer Führung durch die Fabrik entdeckten wir doch in einem Lagerraum Stoffballen mit abgepacktem Tee. Die Aufschrift wies darauf hin, dass es sich um Tee aus Sri Lanka handelte. Nun ja, etwas strecken macht nichts. Sehr gut schmeckte der Tee aus Zitronengras. Das Citronelle Gras wird hier ebenfalls in großen Mengen angebaut.
Es hilft alles nichts, irgendwann ist es so weit. Viel habe ich gesehen und erlebt sowie alles in allem auf dem Törn eine gute Crew kennengelernt und auch gute Segelbedingungen vorgefunden. Und wieder die Erkenntnis, dass diese sechs Wochen viel zu kurz sind, um die vielen Schönheiten der Inseln im Indischen Ozean zu entdecken. Wir haben Wetterkapriolen erlebt, Wind gegenan, Flaute und bleierne Hitze sowie das schönste Segelwetter. Ich habe geschnorchelt, bis ich schrumplig wurde, die Wunder der Natur erlebt und gute Menschen kennengelernt.
Wann ist der nächste Törn?